Erbfolge regeln - aber richtig!

Der Wille war vermutlich klar, die Umsetzung jedoch mangelhaft. Der OGH kam in seinem Erkenntnis vom 28.11.2017, 2 Ob 177/16 t, zum Ergebnis, dass die Tochter die ihr zugedachte Wohnung nicht erhalten wird, weil es sich die Mutter entgegen dem ursprünglichen Willen von ihr und dem Stiefvater der Tochter anders überlegt hat.

Vorab zum Verständnis die Rechtslage: § 586 ABGB behandelt sogenannte gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen (Testamente, Vermächtnisse). Der Gesetzestext lautet wie folgt:

§ 586. (1) In der Regel gilt ein und dieselbe schriftliche letztwillige Verfügung nur für einen Verstorbenen.

(2) Allerdings können Ehegatten oder eingetragene Partner in einem Testament einander gegenseitig oder andere Personen als Erben einsetzen. Ein solches Testament ist widerruflich. Aus dem Widerruf der gegenseitigen Erbeinsetzung durch einen Teil kann auf den Widerruf dieser Erbeinsetzung durch den anderen geschlossen werden.

Der (gekürzt und vereinfacht dargestellte) Sachverhalt: Die Mutter und der Stiefvater der Klägerin (= Tochter) setzen sich in einem gemeinschaftlichen Testament vom 10.02.1986 wechselseitig als Erbe ein. Der den anderen Überlebende sollte also das Vermögen des anderen erben.

Weiters enthielt das Testament die Klausel "Der von uns Letztversterbende verpflichtet sich, unsere Eigentumswohnung unserer Tochter (= der Klägerin) entweder zu Lebzeiten zu angemessenen Bedingungen zu übergeben oder von Todes wegen zu hinterlassen. Diese Verpflichtung ist durch ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten unserer Tochter grundbücherlich sicherzustellen. Das Testament hat als wechselbezügliches zu gelten, sodass die einseitige Abänderung oder Aufhebung des Testaments auch die Ungültigkeit der Verfügung des anderen Eheteiles zur Folge hat."

Der Stiefvater starb als erster. Die Mutter der Klägerin trat die Erbschaft an. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot konnte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht im Grundbuch eingetragen werden, weil es sich bei der Wohnung um eine Anwartschaftswohnung gehandelt hat und der Kaufvertrag noch nicht abgeschlossen war. Erst ein Teil der Kaufpreises war zu diesem Zeitpunkt bereits bezahlt. Die Mutter verpflichtete sich, die Eintragung des Veräußerungs- und Belastungsverbots "nach Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen" zu veranlassen.

Mehrere Jahre später erwarb die Mutter Eigentum an der Wohnung. Anstatt das Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Tochter eintragen zu lassen, verkaufte sie die Wohnung sogleich.

Im Jahr 2015 verstarb die Mutter. Alleinerbe wurde der Beklagte. Von diesem verlangte die Klägerin EUR 50.000,00 mit der Begründung, dass die Mutter verpflichtet gewesen sei, ihr die Wohnung zu überlassen. Durch den pflichtwidrigen Verkauf sei sie schadenersatzpflichtig geworden, der Beklagte hafte nun als Erbe (= Rechtsnachfolger).

Die rechtlichen Überlegungen des Obersten Gerichtshofes:

  1. Zu prüfen ist, ob die Mutter tatsächlich eine Verpflichtung gegenüber der Tochter eingegangen ist.

  2. Aus dem Testament lässt sich eine solche Verpflichtung nicht ableiten. Letztwillige Verfügungen sind frei widerruflich, die Veräußerung ist nach § 724 ABGB (in der Fassung vor dem Erbrechtsänderungsgesetz) als Widerruf zu werten. Diese freie Widerrufbarkeit gilt auch bei gemeinschaftlichen Testamenten.

  3. Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Stiefvater hat die Mutter zwar erklärt, sie verpflichte sich, ein Belastungs- und Veräußerungsverbot im Grundbuch eintragen zu lassen. Die Klägerin hat im Verfahren aber nicht behauptet, dass diese Erklärung nach dem Willen der Mutter ihr zukommen sollte und von ihr auch angenommen wurde. Der OGH deutet damit wohl einen möglichen Fehler im Zivilprozess an, erklärt sodann jedoch, dass es sich bei dieser Verpflichtung wohl ohnedies nur um eine auf einer falschen rechtlichen Beurteilung beruhende Wissenserklärung über das Bestehen einer solchen Verpflichtung gehandelt habe.

Schlussfolgerung: Es wäre ein Leichtes, dafür zu sorgen, dass die Tochter die Wohnung dereinst verbindlich erhält. Die Tatsache, dass es sich lediglich um eine Anwartschaftswohnung gehandelt hat, erschwert die rechtliche Lösung zwar, allgemein kann aber eine Schenkung auf den Todesfall ebenso eine verbindliche Lösung beim Wunsch, einem Nachkommen Vermögen zukommen zu lassen, darstellen wie ein Nachlegat. Und auch für Anwartschaftswohnungen wird sich eine passende Lösung finden lassen.

Entscheidend ist allein, dass die Rechtsfolgen bei einer Testamentserrichtung gründlich durchdacht und erklärt werden, sodass die angestrebte Lösung auch tatsächlich erzielt werden kann.