Der Baum an der Grenze - Haftung und Handlungspflichten

Immer wieder stellt sich zwischen Nachbarn die Frage, wie mit Büschen und Bäumen umzugehen ist, die im Bereich einer Grundstücksgrenze wachsen.

Mit einem ganz speziellen Sachverhalt hat sich der OGH in seinem Erkenntnis 10 Ob 47/13d auseinandergesetzt. Es ging dort um eine Birke, die unmittelbar auf der Grenze stand. Etwa 1/3 des Stammes befand sich auf dem Grundstück A, 2/3 auf dem Grundstück des B. Die Wurzeln haben sich unterirdisch ausgebreitet und haben schließlich die Mauer eines Nachbarhauses auf Grundstück C derart beschädigt, dass eine Abdeckplatte verschoben wurde und größere Steinmengen herausgebrochen sind. Weitere Schäden drohen.

Der Nachbar A hat sich mit der Fällung des Baumes einverstanden erklärt, Nachbar B jedoch nicht.

Neben einigen weiteren Rechtsfragen, die der OGH zu beantworten hatte, die hier aber nicht erwähnt werden um den Sachverhalt zu vereinfachen, hat sich dem OGH die Möglichkeit geboten, dass Nachbarrecht im Zusammenhang mit Pflanzen ausführlich darzustellen:

Rechtlich ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich das Eigentum an einem Baum nach der Stelle des Austritts des Stammes aus dem Boden richtet. Ein Grenzbaum, durch dessen Stamm die Grundstücksgrenze verläuft, steht im Miteigentum der jeweiligen Liegenschaftseigentümer, hier also des A und des B.

Es ist rechtlich zulässig, einem Baum unmittelbar an der Grenze zu pflanzen, auch wenn dies in der Folge zwangsläufig dazu führen wird, dass Äste auch in den Luftraum des Nachbargrundstückes wachsen und Wurzeln sich im Nachbargrund ausdehnen.

Der Nachbar hat das Recht, die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze auf seinem Boden zu entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abzuschneiden oder sonst zu benützen. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass es zu einer schweren Schädigung der Pflanze kommt. Es muss laut Gesetz schonend vorgegangen werden. Zudem darf der Nachbargrund dabei nicht betreten werden - man darf also nur auf eigenem Grund tätig werden.

Hinsichtlich der Kostentragung sind verschiedene Fälle zu unterscheiden:

Wenn durch die Wurzeln oder Äste kein Schaden entstanden ist und auch kein solcher offenbar droht, muss der Nachbar, der die Äste und/oder Wurzeln schneidet, den Aufwand selbst tragen.

Droht ein Schaden oder ist ein solcher bereits entstanden, so hat der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten für den Astschnitt oder für die Entfernung der Wurzeln zu ersetzen. Ein darüberhinausgehender Anspruch bestand bis zu dieser Erkenntnis des OGH nicht.

Neu ist nun, dass sowohl ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als auch ein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Baumeigentümer dann besteht, wenn sich der unzumutbare Zustand nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts beseitigen lässt. Zudem muss eine konkrete Gefahr für Personen oder Sachen bestehen.

Wenn sohin, wie im vorliegenden Fall, bereits eine massive Schädigung eingetreten ist, ist der Geschädigte berechtigt, vom Eigentümer des Baumes einerseits die Entfernung der Wurzeln und/oder der Äste zu verlangen und falls dies anders nicht möglich ist, sogar die Entfernung des Baumes. Andererseits besteht nun auch ein Anspruch darauf, dass der entstandene Schaden durch den Baumeigentümer ersetzt wird. Diese Haftung setzt allerdings ein Verschulden voraus, so hinein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten. Ein solches liegt dann vor, wenn der Baumeigentümer seine Beseitigungspflicht erkennen konnte und dementsprechenden Verlangen des Nachbarn nicht nachgekommen ist. In einem solchen Fall hat er auch jene Kosten rechtswidrig und schuldhaft verursacht, die entstanden sind, um den die Güter des Nachbarn schädigenden beziehungsweise konkret gefährdenden Zustand beseitigen. Der Baumeigentümer haftet in solchen Fällen für die gesamten Kosten der Beseitigung des Zustands und auch für die Behebung der entstandenen Schäden.

Auch wenn damit die Rechtslage für den Nachbarn gegenüber dem Baumeigentümer verbessert worden ist, empfiehlt es sich speziell in Nachbarschaftsangelegenheiten stets, vorab ein klärendes Gespräch zu suchen. Natürlich kann in einem solchen Gespräch beispielsweise auch vereinbart werden, dass der Baumeigentümer überhängende Äste abschneidet oder Wurzeln entfernt, selbst wenn kein Schaden droht und der Überwuchs nur als störend empfunden wird. Sollte eine solche Lösung auf Gesprächsbasis nicht möglich sein, empfiehlt sich zur Vermeidung von Fehlern eine konkrete rechtliche Beratung, bevor man selbst zur Tat schreitet. Ein dauerhafter Nachbarschaftsstreit könnte andernfalls die Folge sein.